Daphne an der Sommerwende

I »… UT ERUAM TE«

Wird die Verfolgte sich retten
vor seiner düsteren Brunst?
Ihre Gelenke zu ketten,
wirft er ihr Erdrauch und Kletten
zu als ein Zeichen der Gunst.

Glühend, erreicht sie des flachen,
ländlichen Gartens Geviert,
Löwenmaul sperrt seinen Rachen,
ach, und wie feurige Drachen
blühen die Bohnen verwirrt.

Mitleidlos wölben die lauen
Frühsommeräpfel die Brust,
schließt ihre Finger, die schlauen,
Demeter schnell um der blauen
Kapseln betäubende Lust.

Ist eine Zuflucht noch offen?
Lodern dort Fittiche auf?
Da, zwischen Seufzen und Hoffen,
hemmt, von Verwandlung betroffen,
plötzlich das Jahr seinen Lauf,

Und wie sich Erbsen entbinden
jäh von der goldgrünen Wand,
perlen im Anschlag die linden
Tage und rollen und schwinden
kühl durch des Hochsommers Hand.

 

II »JOANNES EST NOMEN EIUS«

Dunkler Glut entzogen,
war sie kaum vorbei,
als, zurückgeflogen,
kam ein Jubelschrei –
als bestäubte Schwingen
blitzten in dem Glanz,
sich zu Ätherringen
hob der Schwalbenschwanz –

Als in helle Haare,
hüllte sich der Mais,
kupferne Talare
rauschten um den Greis,
der im Weizen wohnte,
o Melchisedek –
als mit Wandlung lohnte
der Verfolgten Schreck.

Zwischen Tor und Riegel,
Fülle und Zunicht
er, dem Vogelflügel
rahmten das Gesicht –
er, der sie gewendet
mitten in dem Jahr
und Apoll geblendet
mit dem Flügelpaar.

 

III »…ET ERIT GAUDIUM TIBI«

Dreimal von ihr ausgestoßen,
füllte Daphnes Schrei
bis zum Rande alle Rosen,
und im Bild der pollenlosen
ward Natur erst frei.

Leise in dem Staubgemach
scholl es dreimal nach.

Und das Staubgemach erbebte
wie der Schöpfung Ohr,
als der Jubelschrei entschwebte,
denn was hauchend ihn belebte,
trat als Echo vor.

Niederfiel das Staubgemach
in dem Ach! Ach! Ach!

Trug der Hauch die Vogelschwinge
oder sie den Hauch?
Mit dem Wort im gleichen Ringe
waren Hauch und Vogelschwinge
und Apollo auch.

Träumend sann er nach
ihm im Staubgemach.